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23.08.2009, 11:29 Uhr

Neues Urteil-Bundesverfassungsgerichts zur Videoüberwachung

Endlich mal ein Urteil, dass den Beginn der totalen und permanenten Ãœberwachung Einhalt gebietet:

Bundesverfassungsgericht - Pressemitteilung Nr. 97/2009 vom 20. August 2009
Beschluss vom 11. August 2009 â EURO“ 2 BvR 941/08 â EURO“

Zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

Im Januar 2006 wurde auf der BAB 19 in Fahrtrichtung Rostock von der Ordnungsbehörde eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die Videoaufzeichnung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS. Dem Beschwerdeführer, der an diesem Tag mit seinem Pkw auf dieser Strecke fuhr, wird vorgeworfen, er habe bei km 98,6 fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten. Deshalb wurde gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro festgesetzt. Die eingelegten Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere rügte, dass die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes mangels konkreten Tatverdachts ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden sei, hatten keinen Erfolg. Als ausreichende Rechtsgrundlage für die vorgenommene Geschwindigkeitsmessung wurde von den Gerichten der Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999 angesehen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, soweit sie zulässig ist, zur Entscheidung angenommen, das Urteil des Amtsgerichts Güstrow und den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Güstrow zurückverwiesen. Die Rechtsauffassung der Gerichte, die den Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern als Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung herangezogen haben, ist unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Sie ist insofern willkürlich und verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung. Mit Verwaltungsvorschriften wirken vorgesetzte Behörden auf ein einheitliches Verfahren oder eine einheitliche Gesetzesanwendung der untergeordneten Behörden hin. Sie sind kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG und können nur Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle sein.

Es kommt daher nur eine Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten
Entscheidung über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in Betracht. Denn die angegriffenen Gerichtsentscheidungen beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß, da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte im Fall ordnungsgemäßer Prüfung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wären. Nach den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen, die über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren sinngemäß anwendbar sind, kann aus einem Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot folgen. Dieses ist mangels gesetzlicher Regelung anhand einer Betrachtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Es erscheint zumindest möglich, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annehmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.

Die Diskussion –ab diesem Beitrag– als Lesezeichen/Favoriten speichern durbanZA
24.08.2009, 10:40 Uhr

zu: Neues Urteil-Bundesverfassungsgerichts zur Videoüberwachung

Da hat der Schlaraffe das Urteil aber nicht richtig gelesen!

Wenn der Staat irgendwo Bilder seiner Bürger macht, so ist dies ein Eingriff ins Allgemeine Persönlichkeitsrecht. So liegt es auch bei der Verkehrsüberwachung.
Das ist nichts neues und in der Regel unproblematisch.

Ein Grundrechtseingriff muss immer durch ein Parlamentsgesetz gerechtfertigt sein.

Das Amtsgericht Güstrow hat nun in seinem Urteil behauptet, dieser Eingriff sei durch den entsprechenden Ministererlass gerechtfertigt.
Ein Ministererlass ist aber kein Parlamentsgesetz und kann daher keine Rechtfertigung für einen Grundrechtseingriff sein.

Dies hat das BVerfG festgestellt, nicht mehr und nicht weniger.

Das BVerfG sagt überhaupt nicht, dass es keine Grundlage für Verkehrsüberwachung gäbe, und es sagt nicht, dass das Persönlichkeitsrecht dadurch unzumutbar eingeschränt wird. Das BVerfG bewertet materiell überhaupt nicht den zugrunde liegenden Fall, sondern nur die formale Vorgehensweise des Amtsgerichts.

Das BVerfG sagt: "So ist das Urteil nicht in Ordnung", und weißt es deshalb ans AG zur neuen Entscheidung zurück.

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27.08.2009, 00:38 Uhr

Hallo durbanZA

Wer von uns Beiden nicht richtig gelesen hat, ergibt sich bei genauer Bedrachtung von selbst. Ich habe lediglich die Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts hier eingestellt und mich der Meinung angeschlosen ("Endlich mal ein Urteil, dass den Beginn der totalen und permanenten Überwachung Einhalt gebietet"), dass man den Anfängen wehren soll. Eine permanente Verkehrsüberwachung per Video zum Zwecke der Abstrafung möglicher Verkehrsverstöße ist zumindest derzeit in D noch ohne Rechtsgrundlage und verstößt gegen das GG. Das mag möglicherweise den Anhängern des totalen Überwachungsstaates nicht gefallen (Schäuble läßt grüßen), aber noch sind in D ein paar Grundrechte übrig geblieben und die gilt es zu wahren.

Die Diskussion –ab diesem Beitrag– als Lesezeichen/Favoriten speichern Hinniwilli
27.08.2009, 16:45 Uhr

zu: Neues Urteil-Bundesverfassungsgerichts zur Videoüberwachung

("Endlich mal ein Urteil, dass den Beginn der totalen und permanenten Ãœberwachung Einhalt gebietet")

Ich würde mir wünschen, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der von Rasern gefährdeten wenigstens ansatzweise einen vergleichbar hohen Stellenwert beim BVG hätte.

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