Bremsen, aber richtig.
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Außer, dass im Fragebogen steht, Motorradfahrer sollen
»normalerweise« mit beiden Bremsen (Vorder- und Hinterradbremse) arbeiten,
gibt es noch eine Menge mehr zu diesem Thema zu sagen... |
Wie bremst der durchschnittliche Motorradfahrer?
Die Bremskraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterradbremse beträgt
nach einer Untersuchung von 110 Testpersonen 8
mit unterschiedlicher Motorraderfahrung:
- Vorderradbremse: 42,3 %
- Hinterradbremse: 169,8 % - (überbremst oder blockiert!)
Welche Bremse ist die beste?
Grundsätzlich ist dies abhängig von der Bremsverzögerung. Bei
einer Bremsverzögerung von 2 m/s² (schwache Bremsung) ist die Bremswirkung
gleich - jeweils 50 % Vorder- und 50 % Hinterradbremse. Bei einer Vollbremsung
(8 m/s²) übernimmt die Vorderradbremse 82,5 % der Bremskraft
und die Hinterradbremse 17,5 %. Bei wesentlich höherer Verzögerung
- sofern die Fahrbahn griffig und trocken ist, wird die Bremsverteilung komplett
auf die Vorderradbremse übertragen und im Extremfall wäre ein Überschlag
die Folge 6 .
Kann man optimal bremsen?
Eigentlich nicht. Dafür braucht man Rennsporterfahrung und auch dies geht
oft schief. Und auf der Rennstrecke gibt es keine unvorhergesehenen »Bauarbeiten«
- Schienen, Rollsplitt Kopfsteinpflaster und Regen. Hier hilft nur ABS. Die modernen
ABS-Systeme können gerade unter diesen Bedingungen auch von Testfahrern nicht
überboten werten. Die Elektronik rechnet und korrigiert eine Rad-Blockade
in einer Sekunde bis zu 15 Mal. Kein Mensch ist dazu in der Lage.
Auf welche Bremse sollte man mehr Wert legen, vorne oder hinten?
Bei höheren Verzögerungen eindeutig auf die Vorderradbremse. Bei
normalen Bremsungen in der Stadt z.B. vor dem Abbiegen oder vor Kurven ist die
Hinterradbremse die bessere Wahl. Insbesondere bei ganz niedrigen Geschwindigkeiten
und stark eingeschlagener Lenkung verursacht die Vorderradbremse ein Kippmoment,
das blitzartig zum Sturz führen kann. Also hier unbedingt die Hinterradbremse.
Warum kann es bei einer Vollbremsung zum Sturz kommen?
Ein blockiertes Hinterrad ist relativ leicht zu beherrschen. Mit blockiertem
Hinterrad kann man erstaunlich lange Strecken zurücklegen. Ein blockiertes
Vorderrad wird schon wesentlich schwieriger. Das volle Ziehen am Vorderradbremshebel
führt nach 0,2 Sekunden zum maximalen Bremsdruck und 0,2 Sekunden danach
zur Vorderradblockade 9 . Sofern man nicht
in einer Gefahrsituation ist, gelingt es auch den Bremsdruck zu reduzieren und
einen Sturz zu vermeiden.
Sehr oft gelingt dies nicht, unter anderem deshalb, weil
a) die Ellenbogen (!!!) nicht gleichmäßig durchgedrückt werden
und unbewusst über das Vorderrad ein Lenkmoment erzeugt wird, das sofort
zum Sturz führt.
Zu beachten ist: Aufgrund der starken Bremsung verkürzt sich durch die Einfederung
der Nachlauf, das Motorrad wird instabiler 7 .
b) bei einer Einscheibenbremse vorne (die meisten 25 kw Motorräder haben
nur eine Bremsscheibe vorne) wird durch den seitlichen Abstand der Bremsscheibe
zum Radmittelpunkt ebenso ein Lenkmoment erzeugt, welches die Gabel bei einer
Vollbremsung um 2...3 Grad dreht 2 . Also
darauf achten, auf welcher Seite die Bremsscheibe angebracht ist. Scheibe links,
Rad dreht sich links raus - und umgekehrt. Sogar innerhalb einer Baureihe kann
dies differieren. BMW F 650 GS - Scheibe links; BMW F 650 CS - Scheibe rechts.
Erstaunlicherweise gelingt es Profis trotz blockiertem Vorderrad, noch geradeaus
zu fahren.
Gibt es technische Alternativen?
Schon lange weiß man, 5 dass die
Bremskraftverteilung beim Motorrad den Fahrer - auch den Erfahrensten - in Notsituationen
überfordert. Bei Gefahr wird fast immer die Hinterradbremse bis zum Blockieren
gebracht. Durch den Schreck wird instinktiv die Bremse gelöst - auch die
Vorderradbremse - was natürlich den Bremsweg verlängert. Technisch ist
dies nur mit einer Kombibremse, zusammen mit ABS, zu lösen. BMW bietet genau
dieses System seit 2001 an.
Literatur:
1 |
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Bönsch, H.W.: Einführung in die Motorradtechnik. Motorbuch Verlag
Stuttgart. 3. Auflage 1981. |
2 |
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Bönsch, H.W.: Fortschriftliche Motorrad-Technik. Motorbuch Verlag.
Stuttgart. 1. Auflage 1985. |
3 |
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Breuer, B.: Skriptum Vorlesung Motorräder. Fahrzeugtechnik TH
Darmstadt. Fzd Darmstadt. 1985. |
4 |
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Helling, Jürgen: Umdruck zur Vorlesung Krafträder. Institut
für Kraftfahrwesen RWTH Aachen. 1985. |
5 |
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Präckel, Jürgen: Bremsverhalten von Fahrern von Motorrädern
mit und ohne ABS. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Fahrzeugtechnik.
Heft F 18. Bergisch Gladbach 1996. |
6 |
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Schmieder, Martin: Kraftschlusspotentiale moderner Motorradreifen.
Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Fahrzeugtechnik. Heft F 9. Bergisch
Gladbach 1994. |
7 |
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Stoffregen, Jürgen: Motorradtechnik. Vieweg Verlag. Braunschweig/Wiesbaden.
4. Auflage 2001. |
8 |
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Vavryn, Kurt / Winkelbauer, Martin: Beurteilung der Bremsbedienung
bei Motorradfahrern. Zeitschrift für Verkehrsrecht. 4/2001. |
9 |
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Weidele, A.: Kraftradbremsen. ABS-geregelte Kurvenbremsung unter
Berücksichtigung von Kraftschlussausnutzung, Fahrstabilität und Kurshaltung. Forschungsberichte
des Bundesministers für Verkehr. Bereich Fahrzeugtechnik. Nr. 9. Bergisch Gladbach
1992. |
Über den Autor
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Thomas Ihle
seit 1985 Fahrlehrer,
davor Polizeibeamter
(u.a. Unfallermittler in Stuttgart),
lebt und arbeitet in Krefeld.
Spezialgebiet: Motorradphysik
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E-Mail |
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Homepage: www.thomas-ihle.de
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Amtliche Prüfungsfrage Nr. 2.7.01-040 / 3 Fehlerpunkte
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Amtliche Prüfungsfrage Nr. 1.7.01-004 / 3 Fehlerpunkte
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Erst vorsichtig und dann zunehmend kräftiger bremsen (progressives Bremsen)
In kurzen Abständen mehrfach kräftig bremsen (Stotterbremse)
Sofort kräftig bremsen und allmählich nachlassen, wenn die Situation es zulässt (degressives Bremsen)
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